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Polizeiautos der Zukunft dürften schon bald kleine IT-Zentren sein
Wie in einem Labor bei 007
Autos sind heute rollende Computer. Im Teildezernat 31.4 (Fahrzeugtechnik und Automotive IT) beim LZPD Duisburg loten Dienststellenleiter Thomas Franta und sein 19-köpfiges Team die vielfältigen Möglichkeiten für Polizeiarbeit aus, die sich durch fahrzeugbezogene Informationstechnologie eröffnet haben. Man will der Entwicklung nicht hinterherlaufen, sondern selbst Standards setzen.
Streife-Redaktion

Früher, als man sich nur mit Fahrzeugtechnik beschäftigte, sprachen die Kolleginnen und Kollegen – nicht immer respektvoll – von der „Abteilung Öl und Schmier“. Doch die analogen Zeiten sind vorbei. „Wir möchten, dass schon bei der Herstellung vernetzter Fahrzeuge die Bedürfnisse der Polizei mit eingeplant werden“, erklärt Polizeirat Franta. Seit Oktober 2020 hat das Teildezernat 31.4 die Aufgabe übernommen, alle polizeilichen Anstrengungen des Landes auf diesem Gebiet zu koordinieren.

Franta hält enges Ressortdenken für überholt. Automotive IT (AIT) müsse als gemeinsame Herausforderung verstanden werden. „Wenn wir von der rasanten Entwicklung auf diesem Sektor profitieren wollen, müssen die verschiedenen Bereiche der Polizei zusammen Konzepte und Ideen erarbeiten. Dann sind wir auf einem guten Weg.“ Das neu geschaffene Teildezernat ist so etwas wie die Speerspitze – eine Art Think Tank.

Der 44-jährige Rockmusikfan hat sich im Laufe seiner Polizeilaufbahn immer intensiver mit technischen Fragen auseinandergesetzt und seine Masterarbeit an der Deutschen Polizeihochschule in Münster zum Thema „Automatisiertes Fahren“ verfasst. Dabei zu helfen, die künftigen Anforderungen der Polizei an Fahrzeuge zu präzisieren, findet Franta, der in Tschechien zur Welt gekommen und in Unna aufgewachsen ist, „sehr spannend“. Neben Polizisten sind es Ingenieure und andere Techniker, die in Duisburg Ideen und Modelle ausprobieren und Vorschläge unterbreiten.

Handlungsbedarf gibt es genug. Ab nächstem Jahr schreibt die Europäische Union den Einbau bestimmter Fahrassistenzsysteme bei neu zugelassenen Personenwagen vor.

„Wir als Polizei müssen uns aber in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei der Verfolgung eines Verdächtigen oder bei einer einsatzrelevanten Sonder- und Wegerechtsfahrt, über Verkehrsregeln hinwegsetzen“, erläutert Franta. „Ein automatisches Abbremsen wäre kontraproduktiv.“

Gleichzeitig, so der Beamte, wolle man die Unfallermittlungen optimieren. So zeichnen Steuergeräte in Fahrzeugen schon heute die Daten aus dem Zeitraum kurz vor, während und unmittelbar nach einem Zusammenstoß auf. Die Daten sind für die Polizei jedoch nicht in allen Fällen auslesbar, was unterschiedliche Gründe haben kann.

Franta hofft, dass die Autoindustrie die Voraussetzungen schafft, um die Unfalldaten bei allen Wagen problemlos abrufen zu können. Sogar Kriminalfälle könnten gezielter gelöst werden. Denn hinter vermeintlichen Unfällen können sich auch Tötungsdelikte verbergen. Der Event Data Recorder (EDR) speichert die Ereignisse. Wenn nicht einmal versucht wurde, auszuweichen oder abzubremsen, ist das hinterlegt.

Die Polizei Nordrhein-Westfalen steht im engen Dialog mit Politik, Wirtschaft und Forschung. Seit 2021 ist man assoziiertes Mitglied beim Kooperationsverbund KoMo:D next, dem Kooperativen Testfeld für Mobilität in Düsseldorf. Dahinter steht ein Projekt, das automatisiertes Fahren weiter voranbringen will. Partner sind unter anderem die Verkehrsleitzentrale Düsseldorf, die RWTH Aachen, die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt und die Unternehmen Vodafone, Siemens, ZF Friedrichshafen und Swarco mir ihrer Mobilitäts- und Digitalexpertise. Es geht um die elektronische Kommunikation der im Auto verbauten Technik mit Ampeln und anderen Roadside Units (RSU). Getestet wird unter dem Kürzel V2I (Vehicle to Infrastructure), wie Kraftfahrzeuge am besten mit der digitalen Verkehrsinfrastruktur abgestimmt werden können.

„Wir sind stolz, hier ganz vorn mit dabei zu sein“, sagt Franta. „Die Zusammenarbeit ist bundesweit einmalig.“ Der Vater von drei Kindern erläutert, was umsetzbar geworden ist: „Wenn wir beispielsweise Blaulicht und Martinshorn einschalten, könnte automatisch ein Signal an eine Verkehrsleitzentrale und lokal an die Ampel rausgehen, die für den Einsatz auf Grün geschaltet wird.“

In den mit Computern bestückten Laborräumen unter dem LZPD NRW zeigt der Dienststellenleiter von 31.4 wie Tüftler Q in einem James-Bond-Film auf ein polizeiliches Leitfahrzeug mit elektronischen Hinweisen für Autofahrerinnen und -fahrer. „Es könnte Warnungen frühzeitig auf die Displays der Bürgerinnen und Bürger sowie der Streifenwagen übertragen.“

Neben Franta steht Alexander Weinberger. Der 34-jährige Ingenieur entwickelt eine Software, damit die V2I-Technik in Funkstreifenwagen genutzt werden kann. Er hat sich auf die Stellenausschreibung zum Neuaufbau des Teildezernats beworben und ist seit August dabei. „Wir sind hier die Vorreiter. Es wäre sinnvoll, irgendwann die ganze Polizeiflotte auf diese Weise auszurüsten“, meint er.

Noch aber geht es um Details. Zum Beispiel muss geklärt werden, wie eine Ampelanlage konstruiert sein muss, damit sie entsprechende Signale empfangen und weiterleiten kann. Der studierte Fahrzeugtechniker hält prinzipiell vieles für machbar: „Wir bauen an der Mobilität der Zukunft.“ Auch autonomes Fahren werde eines Tages dazugehören.

Noch klingt alles ein bisschen wie Science Fiction. Das weiß auch Thomas Franta. „Viele rechtliche und politische Fragen sind noch ungelöst.“ Das sei aber nicht die Baustelle seines Teams. „Wir wollen erst einmal die Voraussetzungen schaffen, damit man später über den richtigen Weg entscheiden kann.“

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